AG 60 plus:

Wein, Most, Bier von Kirchheimer Weinber­gen, Brauereien und Bierkellern

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Sechshundert Jahre wurde in Kirchheim intensiv Weinbau betrieben, wodurch der Wein zum Volksgetränk Nummer eins wurde. Doch im neunzehnten Jahrhundert wurde der Wein vom einheimischem Most und Bier abgelöst. "Moschde" und Brauereien verdrängten die Keltern in der Stadt. Bierkeller mit den dazugehörigen Eisseen entwickelten sich zu beliebten Ausflugszielen. Der berühmt- berüchtigste war der Lohrmannskeller, der zum Gasthaus Blume in der Dettinger Straße gehörte. Eigentlich trug dieses Gasthaus seinen Namen nach dem Revolutionär Blum, was aber gefährlich war wegen des Staatsschutzes. Heute steht an seiner Stelle die Sporthalle des Ludwig-Uhland-Gymnasiums. Auch das Gasthaus Blume ist dahin. Dort steht nunmehr das Sportgeschäft Räpple. Als der Lohrmannskeller abgerissen werden sollte, kletterten junge, langhaarige Kerls auf die großen Bäume drum herum und protestierten so gegen die Untat. Es half zwar nichts gegen die überlegene Staatsmacht, doch der Versuch war schon sehr mutig. Das Gasthaus „Teckkeller“ an der Jesinger Straße besitzt noch einen Keller, der früher im Sommer manchmal geöffnet war. Dann saßen davor bunt gekleidete Motorradfahrer, die natürlich kein Bier tranken, sondern kühles, deutsches Wasser.

Günther Erb schrieb dazu: Ein Kirchheimer Viertele, ja das gab es, mehr als 600 Jahre lang, gewachsen auf den Halden, in Keltern produziert, in Kellern gelagert und in den Weinstuben ausgeschenkt. Von Stadt und Staat protegiert haben unzählige Wengerter damit ihren Lebensunterhalt verdient, bis Missernten und die Reblaus diesem wichtigen Wirtschaftszweig der Stadt ein Ende bereiteten. Streuobstwiesen ersetzten die Weinberge und der Most den Wein. Auch das Bier- bisher nur Lückenbüßer in schlechten Weinjahren - erlebte jetzt einen Aufschwung. Brauereien mit Brauereigaststätten machten sich breit, Bierkeller an den Ausfallstraßen der Stadt sorgten für zusätzlichen Absatz. Das Eis zur Kühlung des Bieres musste selbst hergestellt werden. Das erforderten großen Aufwand und war nicht ganz ungefährlich. Doch bald brachte der Konkurrenzdruck auch die Kirchheimer Brauereien zum Erliegen. "Moschden" sucht man heute ebenfalls vergebens in der Stadt. Kirchheimer Bier ist wieder im Kommen, doch der heimische Wein lässt noch auf sich warten.